Karl Heinz Keiner

* 1955

  • Bei der Großmutter war das ganz anders. Ich kann mich als Kind noch entsinnen, dass sie immer sagt sie will Heim, sie will Heim. Sie war auch dann schwer dement krank und ist da mit dem Nachthemd auf der Straße rum. Und da haben die Leute gefragt. "Ja Frau Keiner wo wollen sie denn hin?" Und da hat sie immer gesagt: "Heim". Mir kommen jetzt die Tränen, Entschuldigung, aber das war so sie wollte Heim gehen.

  • Es ist niemand, weil diese Mischehe vom Urgroßvater, dass zählte bei der Vertreibung nicht mehr. Und somit sind alle unsere Familienmitglieder ausgewiesen worden. Es ist niemand geblieben. *Und sie sind dann mit dem Zug nach Deutschlandgefahren und wohin? Oder wissen Sie wie die Reise verlief?* Ja, sie sind erst nach Furth im Feld an der Grenze gekommen. Dort wurden sie Untersucht und auch entlaust hat man gesagt. Mit diesem Puder DND oder wie, weiss nicht genau. Irgend so ein giftiges Puder, später hat man gemerkt dass ist giftig. Da sind die Leute entlaust worden. Wurden dann aber weitergeschickt. Die Züge sind dann aufgeteilt worden. Uns unser Zug oder Teile davon, sind dann nach Langweith so heißt der Bahnhof. Langweith das ist in der nähe von Regensburg, da hat dieser Transport geendet. Und da ist meine Familie als aller erstes gelandet. Meine unmittelbare Familie, dass heißt also mein Vater und seine Eltern sind auf einem Aussiedlerhof gekommen. Nach Stummfreud. Das war also wirklich ganz weit ausserhalb ein einzelner Hof, aber ein sehr großer. Da sind die hingekommen. Und der Urgroßvater mit der Familie sind auf einen anderen Bauernhof gekommen, also die sind dann getrennt worden. Aber immer auf Bauernhöfe. Und dort waren sie dann bis 1948.

  • Er ist dann Nachhause gekommen, aber er war nicht lange Zuhause. Die Tschechen die ja da schon in Lučice waren haben sofort erkannt da ist ein Deutscher wieder zurück und haben ihn nach Mährisch-Weisskirchen ins Gefängnis gebracht. Und dort ist er dann von einem tschechischen Bauern abgeholt worden. Er musste dann nach Ohrnsdorf, ich weiss jetzt nicht wie das tschechische heißt. Ohresdorf, das war damals schon ein tschechisches Dorf. Und musste da ganz schwer auf dem Bauernhof arbeiten. Ist da ganz schlimm misshandelt worden: er ist mir der Peitsche geschlagen worden, mit der Mistgabel gestochen worden-. Das war ganz, ganz schlimm. Die mussten im Stall schlafen, das Fenster war mit Stacheldraht vergittert. Und da hat er ganz schlimme Erinnerungen gehabt, wie er da Misshandelt worden ist. *Wie lange war er da?* Ich glaube ein paar Monate. Ein paar Monate nur, weil der Krieg war ja im Mai aus und er wird im Juni zuhause gewesen sein. Und dann August 1946, also es war kein lange Zeit. Es waren ein paar Monate, dann ist er da geflüchtete von diesem Bauernhof, aber wo sollte er hin? Er ist gleich wieder ins Gefängnis gekommen. Und dann ist er nach Lešna im Betschwatal. zu einem Bauer gekommen. Und da sagt er, das war wie im Paradies. Der Bauer Fleischár war sein Name, der hatte nur eine Tochter und keinen männlichen Erben. Und er ist dort aufgenommen worden, wie der eigene Sohn. Also er hatte alle Freiheiten, er hatte ein Zimmer das nicht abgeschlossen war. Er musste zwar arbeiten, aber das musste ja jeder. Er war für die Pferde zuständig, musste selbstständig mit den Pferden nach Radnice, wo er irgendwas holen oder abgeben. Und da hat er als wirklich schönes Leben gehabt.

  • Full recordings
  • 1

    Olomouc, 06.11.2023

    (audio)
    duration: 02:27:09
    media recorded in project Stories of 20th Century
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Wenn der letzte gestorben ist, braucht es keine Versöhnung mehr

KH Keiner 19 Jahre
KH Keiner 19 Jahre
photo: privat Karl-Heinz Keiner

Am 8. Januar 1955 wurde Karl-Heinz Keiner in Scheippbach geboren. Er ist der Sohn von Berthold Keiner, welcher am 20. Dezember 1925 in Lučice in der Tschechoslowakei geboren wurde. 1946 wurde die Familie aus der Tschechoslowakei vertrieben. Im Jahre 1975 heiratete Karl-Heinz Keiner und bekam gemeinsam mit seiner Frau zwei Kinder. Er arbeitete sein Leben lang als Beamter für die deutsche Bahn, bis zur Rente. Für die Versöhnung gründete er 2005 eine Wallfahrt in Tschechien und engagiert sich in mehreren Heimatvereinen. Im Jahre 2023 lebte er gemeinsam mit seiner Frau in Stockstadt.