Georg Schiedeck

* 1945

  • Dann fuhren wir weiter nach Regensburg. Im Regensburg ging die Strecke dann am Stadtteil Stadt am Hof. Dann fuhren wir mit dem kleinen Zugwaggon nach Wörth an der Donau. Dort wurden wir abgeholt von Bauern aus Obermittnach mit einem Traktor und Anhänger oder mit Pferdefuhrwerken oder Kuh-, Ochsfuhrwerken. Da kamen wir auf Obermittnach in die letzte Gegend der Oberfalz, sehr vernachlässigte Gegend in der Gemeinde Oberfalz, die Straßen waren alle unbefestigt."

  • Vier Wochen nach meiner Geburt fand mein älterer Bruder mit anderen Kindern die Munition, Abfälle von den Soldaten, die sie alles weggeschmissen hatten, die durchs Jauerniger Land heimgeflüchtet sind. Und vier Wochen später ist er tödlich verunglückt gestorben. Und im Herbst, September, ein Jahr später, also in meinem Alter von ein einhalb Jahr sind wir in der zweiten Septemberwoche 1946, wir aus dem Waldeck und aus dem Jauerniger Land, die vielen deutschen Dorfbewohner über Niklasdorf im Munitionslager Muna, das war unterirdische Produktion von Hitler, abgehalten bis zur Abfahr in den Viehwaggons."

  • "Die Reise ging dann am Altvater vorbei nach Prag, weiter nach Pilsen und über Domažlice – Furth im Wald. Im Furth im Wald wurden wir von den Amerikanern übernommen und die Personen im Zug wurden alle entlaust mit Staub."

  • Full recordings
  • 1

    Račí Údolí u Javorníka, Česká Republika, 25.09.2016

    (audio)
    duration: 58:09
    media recorded in project Memories for the Future
Full recordings are available only for logged users.

Mit der Heimat verloren - aber unvergessen

Georg Schiedeck
Georg Schiedeck
photo: Archiv sběrače

Georg Schiedeck wurde am 24. 4. 1945 in Waldeck, heute Zálesí u Javorníka, in Ostschlesien geboren. Nur noch ein und ein halbes Jahr vebrachte er in der damaligen Tschechoslowakei. Im September 1946 war er mit seiner Familie in MUNA (ehemaliges Munitionslager) in Niklasdorf (heute Mikulovice) konzentriert. Von dort aus fuhr er mit dem Zug über Prag nach Furth im Wald an der deutschen Grenze, wo sich ein Flüchtlingslager befand. Hier wurden die Ausgesiedelten weiter verteilt und nach verschiedene Orte in Bayern gesendet. Einer seiner Brüder blieb jedoch leider in Waldeck, denn in den letzten Kriegstagen fand er Waffen, welche die Soldaten im Jauerniger Land bei ihrer Heimflucht weggeschmissen hatten. Als 16-jähriges Kind starb er, als er mit diesen Waffen spielen wollte. Der Vater war Maurer und sehr aktiv, so baute er bald seiner Familie ihr eigenes Haus in Bayern und trug wesentlich zur Verbesserung der Wohnsituation hinzu. Er half ebenfalls bei der schnellen Integration zwischen die gebürtigen Deutschen, welche jeodch nicht einfach war. In seiner neuen Heimat studierte Georg Schiedeck, nach der Bundeswehr arbeitete er als Hydraulik-Mechaniker und schließlich wurde er mit eigener Firma selbstständig. Nach dem Tod seines Vaters 1969 begann seine erste Reise in die alte Heimat. Mit 55 Jahren, in der sg. dritten Phase seines Lebens, intensivierte er seine Reisen nach Tschechien so sehr, dass er sogar Busausflüge organisierte für alle, die aus Deutschland an so einer Reise teilnehmen wollten. Vor allem waren das die Vertriebenen oder ihre Nachkommen, die wissen wollten, wo ihre Familie ihre Wurzeln hat. Sehr wichtig ist ihm die junge Generation, welche die Geschichte mit anderen Augen und aus ganz anderer Perspektive sieht als die älteste Generation der Ausgesiedelten. Er nahm auch an der Entstehung des Buches „Verschwundenes Sudetenland” vom Verlag Antikomplex teil. Mit seinem Förderkreis „Alte Heimat - neue Freunde” versucht er, die Beziehungen zwischen den beiden Regionen - Jauerniger Land und der Gegend um Regensburg, wo viele Ausgesiedelte aus dem Jauerniger Land ihre neue Heimat fanden - auch auf der offiziellen Ebene zu intensivieren. Im Oktober 2016 organisierte er eine offizielle Reise der Bürgermeister von der Mikroregion Javornicko nach Regensburg und Wörth an der Donau.