Adam Stupp

* 1927

  • "Der Winter 45/46 in Wien, das war eine traurige Angelegenheit. Es gab überhaupt nichts zu essen, es war...diese Kalorienzahl war tief gedrückt. Das Haupt...eines der Hauptgerichte, das waren Erbsen und die musste man aber zudecken, weil sonst wären sie davon gelaufen, weil so viele Käfer drin waren. Oder das Brot, dieses Maisbrot, ein, ein schlabbriges Zeug und dann hart geworden. Es gab also nichts zu essen. Ich erinnere mich, dass ich am Silvestertag 1945 eingeladen war und zur Feier des Tages gab es damals einen Hasenbraten. Als ich den..., als wir das Essen beendet hatten, die Mahlzeit fertig war, habe ich erfahren, dass es ein Fuchs gewesen ist, den ich da statt Hase gegessen habe. Also das war ganz schlimm."

  • "Mein Freund Földi sagte zu mir: 'Weißt Du was, komm doch zu mir. Ich bin in der Marine-Hitlerjugend, ich bin (überlegt) Stammführer', den genauen Titel weiß ich nicht mehr - also ein Führer in dieser Marine-Hitlerjugend - 'und bei mir musst Du nur hinkommen, wenn Du Lust hast. Wenn Du nicht Lust hast, bleibe weg.' Dieses Angebot habe ich sofort angenommen und dann in Bälde festgestellt, dass es überhaupt keine Dienste gab. Ich erhielt von Földi einen Hitlerjugend-Ausweis, der Marine-Hitlerjugend. Diesen habe ich den örtlichen Hitlerjugend-Führern vorgezeigt, die mich dann gehen lassen mussten und so bin ich mit diesem HJ-Ausweis ohne jemals einen Hitlerjugenddienst geleistet zu haben durch die Kriegszeit gekommen. Es hat sich später etwas herausgestellt, das ich ohne jede Übertreibung als die größte Überraschung meines ganzen Lebens betrachten möchte. Nach Kriegsende stellte es sich heraus, dass Hardy Reginald George Olgen Földi Nodurany überhaupt nicht so hieß, kein ungarischer Bürger war, sondern ein Wiener Jude namens Fluß. Sein Vater hatte einen ungarischen Pass gekauft und war in Wien aus einen Stadtbezirk in einen anderen gezogen und so hatte er und seinen Familie die Hitlerzeit unbeschadet überlebt."

  • "Ja, natürlich hat die Seliger-Gemeinde vor vorne herein eine Ablehnung des Heim ins Reich, der Heim ins Reich-Mentalität der eh Nazis eh gehabt und insofern gerade aus diesem, dieser Ablehnung des Nationalsozialismus, die eben auch in meinem Elternhaus zu spüren war, hat mich natürlich besonders anziehend... hat besonders dazu beigetragen, dass die Seliger-Gemeinde für mich anziehend wurde und ich denke, dass die ersten Schritte zu einer europäischen Verständigung mit den Tschechen die Seliger-Gemeinde irgendwie die Spitze der deutschen Vertriebenen ist, die diese Verbindung auszubauen bereit ist und die sich bemüht über die Schatten der Vergangenheit hinweg zu sehen. Ich glaube, dass die Seliger-Gemeinde hier eine außerordentlich positive Bedeutung hat."

  • Full recordings
  • 1

    Möhrendorf, 26.08.2014

    (audio)
    duration: 01:06:16
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Die Seliger-Gemeinde als intellektuelle Heimat

Portrait vom jungen Adam Stupp
Portrait vom jungen Adam Stupp
photo: privat

Johann Adam Stupp wurde am 15. Mai 1927 geboren. Als Sohn eines erfolgreichen Kaufmanns verbrachte er seine Schulzeit am Akademischen Gymnasium in Wien. Ein Freund deckte ihn, als er sich von der Mitgliedschaft in der Hitlerjugend fern hielt und als er 1944 zur Wehrmacht eingezogen werden sollte, umging er auch diese bedrohliche Pflicht, indem er eine Herzkrankheit vortäuschte. Nachdem er den ersten Winter nach Kriegsende im von Huner und Not geplagten Wien überstanden und seinen Schulabschluss nachgeholt hatte, gelangte er zum Studium nach Tübingen. Hier studierte er evangelische Theologie und verbrachte auch einige Zeit an der Universität Lund in Schweden - wo er seine spätere Frau, eine Lettin, kennenlernte. Schließlich zog es ihn nach Bonn. Hier war er wissenschaftlicher Assistent an der Universität und hatte zugleich auch eine Stelle im Archiv des Bundesrates inne. Im Zuge dieser Tätigkeit lernte Stupp die führenden Köpfe der Sudetendeutschen Sozialdemokratie kennen, allen voran Roman Wirkner, der sein Vorgesetzter und zu dieser Zeit der Vorsitzende des Landesverbands der Seliger-Gemeinde in Nordrhein-Westfalen war. 1957 siedelte die Familie Stupp nach Erlangen über, wo seine Frau eine Anstellung als Ärztin bekam und Stupp selbst nach einiger Zeit zum Leiter des Collegium Alexandrinum (Studium generale) wurde. Bis 1993 hat er in dieser Funktion gewirkt. Daneben hat Stupp verschiedene ehrenamtliche Aufgaben im Bereich der Gewerkschaftsbewegung ausgeführt und viele Aufsätze rund um die sudetendeutsche Sozialdemokratie publiziert.