Josef Wagner

* 1937

  • "Deswegen musste ich allein zurückfahren und dann bin ich in Aussig ausgestiegen aus dem Zug und bin dann mit der Strassenbahn, die gab es damals noch, bis nach dieses Vorort, die heute eingemeindet ist. Und ich bin diesen Kilometer in mein Dorf gewandert. Ich fand das alles klein und niedlich. Das war wie im Traum, wie im Rausch. Ich wusste gar nich, träume ich, oder ist das jetzt Realität? Es war einiges neu gebaut aber noch nicht so sehr viel wie heute, heute ist das Dorf total verändert. Und ich bin dann auch zu meinem Wohnhaus, zu meinem Heimathaus gegangen. Ich hab dann auch geklingelt. Dann hat die Frau Čespivová aufgemacht, die dort noch wohnte. Dann hab ich mich so halb russisch mit ihr zu verständigen versucht. Ihre erste Frage war: ´Lebt Ihr Vater noch?´Ich hab gesagt: ´Ja, er lebt noch.´ ´Will er wieder zurück in die Tschechoslowakei?´ ´Nein´, sage ich, ´er will nicht wieder zurück in dei Tschechoslowakei.´ ´Ja und was möchten Sie?´ Dann sagte ich: ´Ich möchte mir nur mal das Haus ansehen. Erinnerungen wegen, weil ich hier die ersten acht Jahre, im Prinzip nicht ganz, verbracht habe.´ Und das hat sie mir auch gestattet. Da wohnten noch andere, ich konnte nicht in die Wohnungen. Ich konnte dann ein bisschen doch in den Garten durchgehen. Dann wiess ich, bin ich weitergegangen durch das Dorf zu Kirche. Die Kirche war verschlossen. Und dann bin ich zu einem, zum spitzigen Stein, sagten wir da zu ´Spitzka´. Der ragte dann aus dem Hang heraus aus dem Felsen und da gabs noch Bilder, wo ich als Kind mit meinem älteren Bruder sitze. Und bin ich noch mal hin, ja, dann irgendwie zurück, und ich fand das gut. Später kam ich dann mit meinen Kindern und meiner Frau ."

  • „Ende July 1946 kriegten wir dann die Nachricht, das war dann Namenstag meiner Mutter, deswegen weiss ich wieder dieses Datum genau, 29.7., meine Mutter hiess Marta und dann kriegten wir die Benachrichtigung vom Narodní Vybor, dass wir am ersten August uns morgens, vier oder fünf Uhr muss es gewesen sein, am Dorfplatz zu versammeln hätten und evakuiert worden, sondern evakuieren, ein Vakuum von Deutschen schaffen. So haben wir das ausgelegt. (…) Danach sollten wir uns, wie gesagt, auf dem Dorfplatz versammeln zur frühen Morgenstunde und zwar war ja irgendwie klar, dass wir einmal auch ausgesiedelt werden, denn der Abstieg geschah ja in diesem Jahr von 1945 bis 1946 stufenweise, es wurde immer weniger, Haus weg, Wohnung weg, Möbel weg und wir wussten also, auf uns trifft dann dieser Spruch, dem man sich auf der Strasse zurief: „Dobrý den, Němci ven!“ für uns auch irgendwann mal zutreffen würde. Und das war dann also so weit am 1. August wurden wir nach Schöbritz gebracht mit LKW. Schöbritz ist ein Stadtteil von Aussig. Da war dieses grosse Umsiedlerlager und dort wurden wir noch mal kontrolliert, kontrolliert, ob auch die Dinge, die wir schon 1945 abgeben sollten, auch alle abgegeben worden sind. Es wurden also auch kontrolliert die grossen Pakete, die dann in dem Lagerraum waren und die ich, kann ich mich erinnern, dass einige Betten aufgeschnitten worden sind, weil dort irgendetwas verborgen war und dann flogen die Federn alle durch die Gegend. Bei meiner Mutter hat man dann festgestellt, dass sie ihre Ohrringe, ihre goldene Ohrringe, die ihr von Vater geschenkt worden waren, nicht abgegeben hatte und die wurden ihr bei der Kontrolle einfach so ausgerissen. Das ist also in Schöbritz am 1. August 1946 passiert. Wir durften damals schon 50 Kilogramm Gepäck mitnehmen."

  • „Es könnte also 1941 oder 42 gewesen sein. Ich vermute mir 1941. Da hat mich an einem Sommermorgen, einem zeitigen Sommermorgen meine Mutter aus dem Bett geweckt, rausgeholt aus meinem Bett und sie trug mich auf dem Arm, deswegen muss ich also drei oder vier Jahre gewesen sein, vier Jahre denke ich und da zog vor dem Haus ein Zug von Juden vorbei wahrscheinlich in ein Konzetrationslager oder ich weiss es nicht, ob die nach Teresienstadt oder wo die hingezogen sind. Und meine Mutter hielt mich nur schweigend auf dem Arm und ich kriegte mit, dass es gequälte Leute waren, von Soldaten bewacht, dass sie auch mit Gewehrkolben mal gestossen worden und dass sich manche auch dahinschleppten. Meine Mutter hat gar nichts gesagt dazu. Hat mir das nur gezeigt. Und hinterher hat sie mir dann erzählt, dass es Juden wären und ich kannte eine einzige, überhaupt dieser Begriff Jude war mir nur ein einziges Mal bekannt oder bewusst geworden.

  • „Bisschen bisschen problematisch wurde es dann 1944, als Bombenangriffe auf Aussig begangen.Da wurde dann ein Kellerraum bei uns als Luftschutzkeller ausgebaut. Wir hielten alle eine Gassmaske, ich als Kind auch. In den Keller wurde Wasser dann einmal gebracht, im Falle eines Brandes, wir kriegten eine kleine Handpumpe. Draussen kam ein weisser Pfeil dran, ein Luftschutzeller. Ob das alles geholfen hätte, weiss ich nicht, aber ich erinnere mich an den Fliegerallarm. Es gab ja dann ein Vorallarm, da wurde man gewarnt, es könnte was kommen, und beim Hauptallarm musste man dann schnell in den Keller. Und da hatte ich schon dann manchmal, wenn man die Bombenabwürfe im naheliegenden Aussig hörte, da hatte ich schon Angst. Und dann begriff ich zum ersten Mal, dass Krieg wohl doch etwas schlimmes ist, was vorgher mit ganz normal erschien. Ich erinnere mich auch auf das Weihnachtsfest 1944. Der ist am Heiligen Abend, ich lag schon im Bett, am Heiligen Abend war bei uns Bescherung. Ich lag schon im Bett, war eingeschlafen und dann holte mich meine Mutter an diesem Weihnachtsabend oder in dieser Weihnachtsnacht heraus. Und dann mussten wir in den Luftschutzkeller und ich weiss, so kurz eingeschlafen, auch ein bisschen spät schlafen gegangen vielleicht. Ich habe da unten gezittert und hatte fürchterliche Angst. Uns ist allerdings dort nichts passiert. Auch in der Schule mussten wir bei Vorallrm uns schon bereithalten, vor der Schule und dann ging´s los in Richtung Wald. Dann sollten wir uns im Wald schützen, verstecken. Und da mussten wir immer über ein Feld gehen und einmal kam der Hauptallarm zu früh und da kam Tiefflieger und dann kriegten wir die Anweisung uns in die Ackerfurchen zu legen und über uns sausten die Flieger hinweg. Uns ist nichts passiert aber wir haben richtig gebibbert dort und richtig Angst gehabt. Es war auch eine kalte Jahreszeit, erinnere ich mich. Ja, so war das also, als Dresden bombardiert wurde im Februar 1945 konnten wir mehrere Tage Feuerschein am geröteten Nachthimmel von uns aus erkennen und da hiess es immer: ´Da brennt Dresden.´“

  • Full recordings
  • 1

    Dresden, Německo, 14.06.2021

    (audio)
    duration: 01:52:13
    media recorded in project The Removed Memory
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“Dobrý den, Němci ven,” slýchali jsme po válce na ulici

Josef Wagner in 2021
Josef Wagner in 2021
photo: natáčení

Josef Wagner se narodil 18. září roku 1937 v Ústí nad Labem, ale bydlel s rodiči v nedaleké obci Mojžíř. Narodil se do německé rodiny, ale v rodném listě národnost uvedenou nemá. Matka pocházela z chmelařské rodiny na Litoměřicku, otec byl zednický mistr s vlastní firmou. Oba uměli česky. Otec bojoval ve válce, ale byl čtyřikrát zraněn a vracel se proto průběžně domů. Ve válce zažil malý Josef strach z náletů a vnímal propagandu ve společnosti i tichý odpor svých prarodičů. Po válce přišla rodina o vlastní bytový dům i o otcovu firmu. Otec získal práci v Ústí pod počeštělým jménem Vágner. Nuceně vysídlena byla rodina 1.8.1946. Z tábora ve Všebořicích pokračovali přes hranice do sovětské zóny do internačního tábora v Eggesinu. Po těžkých začátcích v Ahlbecku se rodiče s Josefem a jeho dvěma bratry natrvalo usadili ve městě Neustrelitz. Josef se stal stavebním inženýrem, oženil se s Němkou z Východního Pruska. Celý život prožil v NDR. Rodnou ves se mu poprvé podařilo navštívit již v roce 1962. Domnívá se, že vzestup extremismu je důkazem, že jsme se z minulosti málo poučili.