Kriemhild Zeh

* 1940

  • "Ich muss den Sudetendeutschen, die haben immer gesagt, den Kindern soll es besser gehen. Sowas konnte mein Vater nie hören. Diese Auffassung, den Kindern soll es besser gehen. Was soll das heißen? Können sie es mir sagen? Wir leben alle bloß einmal und jeder soll sich das Leben glücklich und gut gestalten. Wichtig ist die Gesundheit, der Frieden in der Familie, das ist er Wurzel. Und wie es in der Familie ist, so ist es auch in der Gemeinde und wo anders."

  • "In unser Dorf kam ein Verwalter. Es war ein junger Tscheche, könnte so dreisig sein, seine Frau war allerdings erst noch Anfang 20. Sie hatten einen Sohn, der war dann auch unser Spielkamarad, und meine Schwester Sieglinde musste sich auch mitkümmern, wenn dann die Tschechen eine Tanzveranstaltung hatten oder so etwas. Da musste sie als Kindermädchen mitgehen. Der Verwalter war ein ganz feiner Mann. Er hatte auch als Ökonom gelernt, als Landwirt, hatte aber dann auch meinen Vater gefragt: ´Herr Rubner, wie machen wir das?´ Er wollte etwas anpflanzen, mein Vater meinte, es wächst bei uns nicht. ´Wollen wir es probieren?´ Hinterher hatte er gesagt: ´Sie hatten Recht.´ Seine Frau war eine junge Frau, sie hat sich mit meinen Schwestern gut verstanden, meine Mutter hatte sie immer gefragt, wie man das und das alles macht. Ich weiß, der kleine Sohn hatte immer gesagt, ´Pojď sem.´ Also es war eine schöne Zeit, muss ich sagen."

  • "Das Schlimmste war an dieser Vertreibung,:wir hatten einen Hund, also wenn man Tiere zurücklassen mussten. Das andere… es war schlimmer als das. Und dann haben sie gesagt: ´Warum haben Sie nicht den Hund über die Grenze?´ Aber was sollten wir dann machen? Und der Lieder… die Schwester von meinem Vater hat in Liba in der Wäschekonfektion gearbeitet, und auch seine Nichte, die musste noch bin 1948 drinbleiben. Die sind am Anfang alle 2, 3 Wochen auf den Hof gegangen… und dann war er irgendwann eingegangen."

  • "Ich habe noch den Brief, wo mein Schwager aus Schirnding schreibt, dass sie jetzt unser Haus gesprengt haben. Also das war schon schlimm. Und auch das von seinen Eltern ist gesprengt worden. Und auch das von der Gromutter. Aber dann hat der Vater gesagt, wir bauen es wieder auf, es wird schon irgendwie sein. Und wenn dann wirklich 1946, 1947, 1948, dass man das Geld gekratzt hat, dass er rauf fahren könnte mit dem Zug, dann saß er an der Grenze und konnte rüber schauen, wo sein Haus gestanden ist, und hatte geweint. Und für mich in dieser Zeit, in der Pubertät, ich war froh, wenn ich im Internat war, wo ich nichts mehr gehört habe von dieser Vertreibung. Es war schlimm, da muss ich sagen, ich habe gelitten. Meine Schwestern haben nicht so viel davon mitbekommen, sie hatten dann schon ihre Familien, für sie war es einfacher. Der Vater hatte eigentlich immer wehgebühlt, wäre das nur nicht passiert? Da wollte ich lange davon nichts wissen. Wie dann der Vater 1977 gestorben ist, bin ich in die Landsmannschaft eingetreten."

  • "Uns ging es noch gut. Wir mussten ein Jahr lang unter den Tschechen leben, hatten eigentlich noch einen guten Verwalter, und auch mein Vater in der Krankenkasse. Als es es aufgeben musste, kam ein Tscheche, hat es übernommen, und hat zu meinem Vater gesagt: ´Zahlen Sie die Gehälter aus!´ Der Vater meinte, der Monat ist erst angefangen, ich kann nicht schon die Gehälter auszahlen… ´Zahlen Sie die Gehälter aus!´ Das war ein anständiger Tscheche. Weil zwei Wochen später war niemand mehr in der Kasse gesessen von den Deutschen. Und der Tscheche wollte noch, dass die Deutschen ihr Geld bekommen. Es hat solche und solche gegeben."

  • Full recordings
  • 1

    Rehau, 11.09.2019

    (audio)
    duration: 01:50:06
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Das Schlimmste an der Vertreibung war, dass wir unseren Hund daheimlassen mussten.

Kriemhild Zeh wurde am 30. Dezember 1940 in dem heute untergegangenen Tobiesenreuth (Dobrošov) in der Nähe von Eger (Cheb) geboren. Sie hatte in dort an der böhmisch-bayerischen Grenze eine glückliche Kindheit, bis sie im Oktober 1946 mit ihrer Familie nach Deutschland ausgesiedelt wurde. Sie fand ein neues Zuhause im süddeutschen Obernzell. Seit 1952 lebt sie in Oberfranken. Nach der Fachschule arbeitete sie zuerst in einer Sparkasse und danach als Sekretärin im Gymnasium in Naila. Sie ist ein aktives Mitglied der Sudetendeutschen Landsmannschaft und mit ihrer ehemaligen Heimat ist sie stark verbunden.