Maria Miksch

* 1931

  • „Weißt, da ist das Problem gewesen. Wir waren – es hat immer geheißen – Reingeschmeckte. Reingeschmeckte so zu sagen, weiß Gott was die irgendwann waren. Und sogar hat sich damals mein Papa wahnsinnig darüber aufgeregt. Wir waren in Röttingen in der Kirche und da stellt sich der Pfarrer auch die Kanzel und sagt: „Das ist der Schutt, denn man hier abgeladen hat.“ Und meinem Vater ist es eiskalt über den Buckel gelaufen. Hat er gesagt: „Wir sind doch kein Schutt, wir können nichts dafür, dass wir hier sind. Freiwillig haben wir’s ja nie gemacht.“ Na, aber so war damals die Einstellung. Und wir, du musst dir auch vorstellen. Da im Gau draußen – es war eine rein bäuerliche Gegend und die haben vom Krieg nicht viel mitgekriegt. Die haben von allem wenig mitgekriegt. Und da kamen so viel Fremde darein und wir als junge Dinger, wir waren dann manchmal für diese jungen Herrn vielleicht ein bisschen anziehen. Und da ging’s los da haben wir dann Fersengeld gekriegt. Also das war dann, da waren hinter uns her wie der Tod auf die arme Selle. Und meine Mutter hat immer gesagt: „Na ja, wir haben nichts, dann sind wir auch nichts. Was willst du machen.“ Die eine Bäuerin hat damals gesagt: „Na ja, die werden einmal froh sein, wenn sie für ein Käsebrot schaffen dürfen.“ Also so hat man uns, so zu sagen, ausgenommen. So wurden wir behandelt.“

  • „Wir hatten ein oder zwei plus Punkte: wir waren deutsch - wir konnten uns mit der Sprache verständigen. Und wir hatten dieselbe Religion. Und damit haben wir uns dann mit der Zeit leichter getan. Wir haben uns dann ziemlich... Und heute, wenn du irgendwie die bayerische Regierung hörst, sagen sie immer: Die Sudetendeutschen ist der vierter Stamm, der vierter Stamm Bayerns. Na ja, wir haben. Das hab ich auch beobachtet. Es hat gar nicht lang gedauert hat jedes, der einigermaßen konnte, das buddeln angefangen und hat wieder gesehen dass er zum Wohnraum kam, dass er sich ein Häusle gebaut hat. Und so weiter und so fort. Also ich muss wirklich sagen. Unsere Leute waren fleißig und emsig. Und das hat zum Aufbau der Bundesrepublik auch beigetragen.“

  • „Auch zu dem Zeitpunkt, während des Krieges konnte man manchen nicht trauen. Da hast du nicht gewusst. Meint der‘s ehrlich? Oder meint er’s nicht? Musste dich mit jedem Wort schön zurückhalten. Das war nicht so einfach. Und ich weiß, dass in Weidenau Kapläne und wir hatten ja das Priesterseminar in Weidenau. Dass Professoren, wenn die ein Wort gesagt haben, waren die weg. Waren sie gleich fort.“ „Da hatten alle dann Angst.“ „Ja, da sagt man, zieht man sich halt zurück und hält die Klappe. Und wir haben uns dadurch immer mehr so zurückgezogen. Und das ist halt auch nicht schön, wenn du immer nur Angst haben musst – sagst du ein Wort zu viel, dann bis du es!“

  • „Viele Frauen mit kleinen Kindern wurden vergewaltigt. Sie hatten nicht nie Möglichkeit sich zu verstecken. Stell dir vor: du hast die Kinder um sich und der Russe kommt rein. Du hast ja keine Möglichkeit. Und die haben keine Rücksicht auf die Kinder genommen. Das war ... da kamen dann auch verschiedene Schwangerschaften zustande. Und dann kommen die Männer von der Front heim.“ „Mit wem hast du das? Und so.“ „Da hast sehr sehr viel Krach gegeben. Ja, wenn man‘s nicht mitmacht, dann weiß man’s nicht.“

  • Full recordings
  • 1

    Höchberg, 18.03.2017

    (audio)
    duration: 03:21:36
    media recorded in project Memories for the Future
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Manchmal denk ich, ich habe viel Glück gehabt. Viel, viel Glück gehabt.

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Maria Miksch
photo: Archiv der Zeitzeugin, Dominik Michálek 2017

Maria Miksch wurde am 2. April 1931 in Groß Krosse (Velká Kraš) geboren. Ihre Eltern Johann und Emma Pache hatten zwei ältere Töchter Elisabeth und Margarete. Elisabeth ist einen Monat vor Marias Geburt, an ihrem achten Geburtstag, verstorben. Sie bekam als sie auf die Welt kam nicht genügend Sauerstoff, konnte nicht gehen und sprechen. In Groß Krosse war am 22. September 1938 eine Schießerei, als die tschechischen Beamten von den Freikorps aus Weidenau (Vidnava) vertrieben wurden. Maria war unter der Eckbank in der Küche versteckt. Frauen und Kinder wurden dann, wegen der Angst vor der Rache von der tschechischen Seite und der Mobilisation zu der Ostsee nach Kolberg evakuiert. Dort waren sie einen Monat. Die Zeit des Krieges war nicht leicht: „man konnte niemandem Trauen”. Am 7. November 1944 hat der Vater sie Familie hinter die Scheune gerufen. Auf dem Himmel haben sie die Bombardierung von Breslau (Vratislav) beobachtet. Ein paar Minuten später hat ein RAF-Bomber in der Nähe 7 Bomben rausgeschmissen. Im Januar 1945 haben sie mehrere Flüchtlinge, die aus Oberschlesien kamen, übernachten lassen. Eine Nacht, die Pferde bekamen Futter und sie fuhren weiter Richtung Mähren. Aber als Familie Scherle am 27. Januar kam, war Frau Scherle hochschwanger und sie blieben länger. Am dritten Tag kam der kleine Hans Scherle zur Welt. Als am 8. Mai 1945 die russischen Reiter ins Dorf kamen mussten sich alle Mädchen verstecken. Der Vater hat ihnen ein Versteckt in der Scheune vorbereitet, wo sie übernachteten. Auf dem Feld haben sie in Verkleidung als Jungen gearbeitet. Nach dem Krieg haben sie einen tschechischen „Správce” auf den Hof bekommen, der die ganze Ernte verkauft hat und dann verschwunden ist. Schwester Margarete musste zur Zwangsarbeit nach Bořitov. Sie ist auf einem Fahrrad geflohen und wurde am dritten Tag in Heinrichsthal (Jindřichov) von der Polizei verhaftet. Margarete kam nach Mährisch Schönberg (Šumperk) ins Gefängnis. Nach 4 Wochen wurde sie nach Hause entlassen. Der neuer „Správce” hat das ganze Haus beschlagnahmt. Die Familie musste zur Oma ins Ausgedinge-Haus. Am 30. Juli 1946 wurden sie mit jeweils 30 kg Gepäck in die MUNA in Niklasdorf (Mikulovice) verfrachtet worden. Als ihr Wagon durch Prag fuhr, wurde er mit Flaschen beworfen. Sie kamen nach Röttingen in Bayern. Die ersten Jahre in der neuen Heimat waren schwierig. Einmal hat sie der Pfarrer bei der Messe als Schutt bezeichnet. In den Jahren 1946-1948 besuchte Maria eine hauswirtschaftliche Berufsschule. Als Zeitvertreib hat sie mit ihrer Schwester und mehreren Mädchen Theater gespielt. Später erlernte sie Pelznäherin in Ochsenfurt, aber leider konnte sie keine Arbeitsstelle finden. Nach längerer Zeit fand sie eine Stelle in einer Näherei in Ochsenfurt. Das nähen hat ihr Spaß gemacht. Im Oktober 1956 heiratete sie Paul Miksch, der auch Heimatvertriebene war und aus der Stadt Schluckenau (Šluknov) stammte. Maria hat drei Töchtern - Hannelore, Claudia und Martina. Heute würde sie schon keine Reise nach Groß Krosse absolvieren - sie hätte es nicht nervlich verkraftet.