Else Pecher

* 1923

  • „Da war ja noch der Amerikaner da. Und da war dann im Holzlager, da kamen die Flüchtlinge hin. Wir kamen nach Mettenheim, da waren wir in Mettenheim. Stellen Sie sich vor, 45 Personen in einem Raum. Das war die Baracke, das war ein Raum, das waren 45 Personen. Und was haben meine Eltern gemacht? Da waren ja auch viele Junge auch, und da hatten wir auch bloß so Feldbetten. Die haben die vier Feldbetten, mitten mussten meine Schwester und ich schlafen, und mein Vater außen und meine Mutter außen. Da hatten sie Angst um uns. Und da waren wir und da waren wir drei Monate im Lager, bis November. Und wir blieben ja nur deswegen, mein Vater, er hatte Arbeit und da hat er das so mit geleitet. Aber dann, da waren neben uns dann, die sind erst hergezogen, es waren tschechische Sozialdemokraten. Und die haben ihn dann gewarnt: „Ihr müsst jetzt fort, sonst sperren sie dich noch ein.“

  • „Ich war in so einem Kleinbetrieb und dann musste ich, sind wir so kurz vor 18, sind wir gemustert worden zum Arbeitsdienst. Und dann waren wir von meinem Jahrgang, von dem Ort, waren wir 26 Mädel. Zwei mussten wir fort. Ich war rot angeschrieben von SPD, und die was noch mit fort musste, das waren Kommunisten. Wir zwei von 26, wir sind dann einzogen worden zum Arbeitsdienst, das war ´42. Und dann war doch der kalte Winter. Und Sie können sich cniht vorstellen, daheim hast du ein Federbett gehabt. Und da waren wir immer in einem Zimmer zwölf Mädels, sechs Betten, Stockbetten. Ich bin nach Nirschan gekommen, und das hieß dann Auherzen, das war so 20 Minuten von Nirschan weg, das war ein neues Arbeitslager, was sie da gebaut haben, und da kamen wir rein. Und da musstest Du ja, was Du anhattest in einen Koffer gebe, und der Koffer ist aufgehoben worden, da konntest Du ja nicht mehr dazu und dann hast Du Kleidung. Und dann musstest Du zum Bauern, alle vier Wochen zu einem anderen. Und anschließend kam man dann nicht heim, dann kam man, das hieß Kriegshilfsdienst, und da kam man dann, wurd man in einem Kloster untergebracht, und wir sind jeden Tag mit dem Zug bis hin gefahren, da mussten wir geschlossen. Und dann sind von anderen Lagern noch gekommen und das Kloster haben sie halb beschlagnahmt, und die konnten uns nicht leiden. Da kam ich nach Holleischen, da sind wir jedne Tag hingefahren, und das war so Munitionsfabrik, und da haben wir wie so kleine Geschosse mussten wir kontrollieren. Früh von sieben bis abends um sechs. Und dann sind wir wieder zum Zug gegangen und heim gefahren. Und dann kamen wir heim, war es halb acht, und da haben wir erst das bissl Essen wieder gekriegt. So Erbsenbrei und lauter so Zeug, und Brot gabs nur Samstag und Sonntag zu Abend, Brot. Und da haben wir schon viel Hunger leiden müssen.“

  • „Und da hatten wir politische Schulung, das war noch am Bodensee und ich war in der ersten Reihe gesessen. Das hat mich doch nicht interessiert. Das abdere Zeug, das hast Du lernen müssen, wenn dus nicht gelernt hast, dann warst du durch, das hast müssen. Und da war politische Schulung, und da fragt er mich, wann der Führer geboren ist. Und jetzt kam ich dran. Bin ich aufgestanden, hab ich nen Moment nichts gesagt, hab ich gesagt, ich weiß es nicht. Mich hats ja nicht interessiert. Und da sagt er: „Ja, wo sind Sie denn zur Schule gegangen?“. Sag ich: „Ich kann Ihnen sagen, wann Dr. Garrigue Masaryk und Dr. Benes geboren, da weiß ich von jedem den Lebenslauf, aber von dem weiß ich es nicht.“ Und da sagt er: „Wo sind Sie zur Schule gegangen?“ Sag ich: „In der früheren Tschechoslowakei.“ „Setzt Dich.“ Aber ich hat nen Vorteil, der hat mich nie mehr was gefragt. Die Stunde konnte ich schön in Ruhe verbringen. Der hat mich nichts mehr gefragt. Den Vorteil hat ich. Dann haben die anderen gesagt: „Du hast da aber was gewagt.“ Du hattest so eine Wut, das können Sie sich nicht vorstellen.“

  • Full recordings
  • 1

    Waldkraiburg, 24.07.2014

    (audio)
    duration: 01:38:15
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Du hattest so eine Wut, das können Sie sich nicht vorstellen.

Else Pecher 2014
Else Pecher 2014
photo: Miloslav Man

Elsa Pecher wurde am 15. Juni 1923 in Eibenberg (Tisová) bei Graslitz (Kraslice) in der Nähe von Karlsbad geboren. Wenige Hundert Meter von ihrem Elternhaus verläuft die bayerische Grenze zum Vogtland. Beide Eltern waren Arbeiter und in sozialdemokratischen Vereinigungen aktiv. Ihr Vater war Betriebsratsvorsitzender, Gewerkschaftsmitglied, bei der SPD und im Arbeiterverein. Somit wuchs auch sie mit den Jugendorganisationen der Arbeiterbewegung wie beispielsweise dem Arbeiterturnverein auf. Mit dem Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche Reich 1938 musste der Vater Zwangsarbeit in Deutschland leisten. Pecher selbst wurde 1942 aus politischen Gründen als eine von zwei ihres Jahrganges zum Arbeitsdienst gemustert. Bis Kriegsende war sie in verschiedenen Arbeitsdienstlagern in Deutschland eingesetzt, zuletzt bei Augsburg. Kurz vor Kriegsende, im April 1945 wurde sie entlassen und machte sich auf den beschwerlichen Weg zurück nach Hause. Der Vater hatte unmittelbar nach dem Krieg noch eine Arbeit, so dass die Familie nicht sofort ausgesiedelt wurde. Erst 1947 kamen sie dann mit einem Antifa-Transport in ein Flüchtlingslager in Mettenheim. 1948 heiratete sie dann ihren Mann, der ebenfalls aus dem Sudetenland stammte und mit dem sie wenig später nach Waldkraiburg zog, wo sie bis heute lebt.