Maria Stockinger

* 1927

  • Wir haben gesungen „Kde domov můj?“. „Wo ist mein heim, mein Vaterland“. Am 28. Oktober, da hat der Masaryk Geburtstag. Und da war das große Bild und wir waren schön angezogen. Und „Ob der Tatra blitzt es, dröhnt des Donners Krachen.“ Wir haben alles gesungen. Das hat damals zu uns gehört. Da waren wir daheim, nicht?

  • Manche haben den Weg schon gewusst. Ich bin das erste Mal über die Grenze gegangen, und bin da gleich drüben geblieben, aber manche haben schon den Weg schon gewusst. Da ging es ja leicht. Da ist der Osser, das sieht man ja, und entweder links oder rechts vom Osser sind wir über die Grenze gegangen. Da sind wir in der Nacht um elf oder halb zwölf fort.

  • Na ja, die sind da durchgetrieben worden. Da war eine SS Frau dabei. Und die Frau Kraut, die hatte keine Wasserleitung, die hatte eine Pumpe. Und da hat die Frau Kraut gesagt, ich soll Wasser pumpen, weil die hatten doch Durst. Und das war außerhalb Deschenitz und da haben die hineingeschlagen, die SS Frauen, in die Beine. Sie durften nicht trinken. Und sie haben dann am Straßenrand Graß gegessen, weil sie Hunger hatten. Die wollten da nur fort, über die Grenze sicher. Das war schlechte Zeit.

  • Full recordings
  • 1

    Neukirchen, SRN, 03.09.2019

    (audio)
    duration: 01:09:20
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Wir haben “Wo ist mein Heim?” gesungen und sind mit den Tschechen gut ausgekommen

Maria Stockinger, Neukirchen 2019
Maria Stockinger, Neukirchen 2019
photo: Natáčení

Maria Stockinger wurde am 9. September 1927 in eine deutsche Familie in Deschenitz (Dešenice) geboren, die Mutter hieß Maria Weiss, der Vater Franz Aschenbrenner. Sie hatte drei Brüder und zwei Schwestern. Die Kindheit verbrachte sie bei ihrer Großmutter, die Hebamme war. Sie besuchte die Gemeindeschule in Deschenitz, wo sie auch Tschechisch lernte. Die Bürgerschule besuchte sie in Neuern (Nýrsko) und vor dem Eintritt in die Lehre trat sie mit 14 Jahren den einjährigen Arbeitsdienst auf dem Hof der Familie Kraut an. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs war sie Zeuge eines Durchzugs von verelendeten weiblichen Häftlingen aus dem Konzentrationslager Deschenitz. Nach dem Krieg wurde sie zur Arbeit auf einem Bauernhof bei Klattau (Klatovy) eingesetzt, wartete wie ihr Vater und ihre Schwester nicht auf die Vertreibung, sondern flüchtete bereits am 8. Februar 1946 beim Berg Osser (Ostrý) nach Bayern. Ihr Haus wurde konfisziert und die Mutter nach Ostern 1946 vertrieben. Maria arbeitete fast sechs Jahre bei einem Bauern und fand später Arbeit in einer Textilfabrik in Bonfelden. 1955 heiratete sie einen deutschen Aussiedler aus der Tschechoslowakei, den sie schon vor der Vertreibung kannte. Heute hat sie zwei Kinder, mit denen sie sich das erste Mal 1974 Deschenitz ansah.