Johann Böhm

* 1938

  • Meine Eltern, die würden das Ganze ganz anderes empfunden haben. Meine Eltern wollten zum Beispiel, nicht mehr, die wollten eigentlich nicht mehr hinüber fahren. Die wussten, das der Hof abegerissen ist, dass alles zerstört ist und für die werden viele gute Erinnerungen einfach fürchterlich zerstört worden. Und das war besser, dass sie das nicht mehr gesehen haben. Wir Kinder haben das wieder anderes registriert. Man wusste, was da war, was fort ist. Aber irgendwo bleibt das Gefühl immer, wenn ich rüber komme und sehe dass das schöne Egerland und Keiserwald drüben, irgendwo hat man immer das Gefühl, eigentlich bist du hier kein gerne gesehener Gast. Da haben sie dich rausgeschmissen.

  • „Unangenehm war natürlich, das habe ich vorin nicht erzählt, das wir alle mit einer weiβen Binde rummarschieren mussten, auch als siebenjährige hast du eine weiβe Binde getragen. Na ja, das hat man über sich gehen lassen. Wie diskriminierend das war, das haben die Erwachsenen sehr deutlicher gefunden“.

  • „Eigentlich sind alle davon ausgegangen, diese Vertreibung, das kann nicht auf ewig werden. Meine Eltern haben gesagt, na die werden wieder schon vernünftig, die Tschechen, und nach einiger Zeit werden die uns wieder reinholen. Die brauchen ja jemanden, der die Felder erwirtschaftet und ähnliches mehr. Und Klassenkamarad von mir, mit dem ich im Kindergarten war und mit dem ich in der ersten und zweiten Klasse der Volkschule war und mit dem ich auch zur gleichen Zeit ausgesiedelt worden bin... wir sind da noch in den Wald gegangen und haben unsere Initialen in einen Baumstamm geschnitten und haben gesagt, also wenn wir wieder Heim kommen da schauen wir noch Mal, was aus diesen Dingen geworden ist. Ich habe das aber nie wieder gesehen, da es zu lange gedauert hat bis ich wieder die Gelegenheit hatte da am Schlossberg auszugehen und diese Dinge anzuschauen“.

  • Full recordings
  • 1

    Rehau, 09.09.2019

    (audio)
    duration: 01:32:51
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Aber man darf nicht einfach in der Opferrolle stecken bleiben. Die Heimat ist dort, wo man etwas gestalten kann.

Porträt des Zeitzeugen
Porträt des Zeitzeugen
photo: Pamětník

Johann Böhm wurde in einer deutschen Familie am 18. Oktober 1939 in Daßnitz (Dasnice) geboren. Er hatte drei Geschwister, Harald, Anna und Gudrun. Die Familie besaß einen Hof und einen Lebensmittelladen. Nach der Kapitulation Deutschlands 1945 und dem Abzug der amerikanischen Armee 1946 wurde die Verwaltung von den Tschechen übernommen. Die Deutschen mussten eine weiße Armbinde tragen. An dem Haus der Böhms hatte ein Tscheche Interesse geäußert, so dass die Familie gezwungen war, auszuziehen. Anfang 1946 wurden die Böhms in das Internierungslager in Falkenau geschickt. Von dort kamen sie über einige Zwischenstationen nach Wülfershausen in Deutschland. 1946 setzte Johann nach einem Jahr Unterbrechung den Schulbesuch fort. Er machte das Abitur in Würzburg. Nach dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften war er Referendar, danach im Staatsdienst bei der Regierung von Unterfranken. Insgesamt 29 Jahre lang war er Mitglied des Bayerischen Landtags. 1990 wurde er Leiter der Bayerischen Staatskanzlei. Von 1994-2003 war er Landtagspräsident. In seiner früheren Heimat fühlt er sich nicht sehr willkommen. Johann Böhm lebt in Bayern, er ist verheiratet und hat drei Kinder.