Johann Eppinger

* 1936

  • Das war in Prachatitz auch. Wir waren in Prachatitz und da waren auch die Juden da in einem Lager. Und meine Mutter hat dann vom Essen, vom Apfel oder irgendwas… Sie haben die Hände rausgestreckt, die Judenfrauen, ganz abgemagert und haben nach Essen gewartet und da hat meine Mutter halt immer irgendwas oder die Leute ihnen immer was zugesteckt, damit es der Posten nicht gesehen hat. Da war ein Lager in Prachatitz.

  • 1945 habe ich als Neunjähriger die erste Kommunion erhalten, in der St. Jakobs Kirche in Prachatitz. Und damals war das so, dass die Kirche schon geschlossen war, aber wir durften noch durch den Hintereingang durch. Der deutsche Pfarrer war noch hier und wir haben die heilige Kommunion bekommen. Wir mussten mit Hausschulen reingehen, damit es kein Lärm verursacht und kein Ärger bei der Verwaltung. Und so habe ich die heilige Kommunion empfangen. Es war der Hinterausgang und da mussten alle deutschen Kinder zur Kommunion, es war ja Mai. Der damalige Pfarrer, der hat es noch zusammengerufen und hat scheinbar die Genehmigung gehabt, das weiß ich nicht. Wir mussten halt durch Hintereingang rein und mussten ganz still und leise sein. Für uns als Kinder war das schon hart, wenn wir nichts sagen durften bei der Kommunion. Es war dann schnell vorbei und in einer halben Stunde sind wir wieder raus. Das ist meine Erinnerung an die letzten Tage von 1945. Den danach gab es keinen Gottesdienst mehr.

  • 1946, am 3. März, haben wir ein Befehl bekommen, um 14 Uhr am Bahnhof in Prachatitz mit 50 Kg Gepäck (zu sein) und 1000 R-Mark hat man mitnehmen dürfen. Dann sind wir vom Bahnhof Prachatitz, da war das Sammellager von ganz Prachatitz und Umland, in Viehwagons gekommen. Da war Stroh drinnen und da sind alle Leute in die Viehwagons gekommen und in der Nacht sind wir gestartet. Und in den Wagons drinnen waren viele alten Leute, die jungen waren ja alle im Krieg, es waren halt Kinder und alte Leute. Und aus Gram und Verzweiflung haben viele geweint die ganze Nacht. Wir sind versorgt worden, das muss ich sagen, mit warmen Suppe. In der Nacht sind wir gefahren und tags sind wir gestanden. Aber aus den Wagons durften nicht raus. Da war Polizei mit Hunden und die haben es bewacht, dass da keiner flieht. Und so sind wir dann über Prag nach Furth im Wald. Und die Leute, die schon älter waren, da war so Schlitz im Wagon drinnen, da haben die rausgesehen und haben gejubelt: „Nach Prag - und Gott sei Dank, wir kommen nicht nach Sibirien, sondern Richtung Pilsen nach Westdeutschland.“ Und das war ein Jubel drinnen im Zug, zu allem Unglück und Not war das positiv, dass wir eben nach Deutschland gekommen sind. Daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. In diesem Zug sind auch einige gestorben. Der Zug hat immer am nächsten Bahnhof gehalten und dann sind die Menschen rausgekommen, das haben wir nicht gesehen, als Jungen.

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    Neukirchen b. hl. Blut, 01.09.2019

    (audio)
    duration: 01:15:48
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Die Aussiedlung war meiner Erinnerung nach human - ohne Schläge oder Gewalt

Johann Eppinger, Neukirchen 2019
Johann Eppinger, Neukirchen 2019
photo: Natáčení

Johann Eppinger wurde am 12. Juli 1936 in Unterschneedorf (Dolní Sněžná) bei Prachatitz (Prachatice) in eine deutsche Familie geboren. 1938 zog die Familie nach Prachatitz um, wo er seine Kindheit verbrachte – bis zu seinem neunten Lebensjahr. Am 12. Januar 1942 fiel sein Vater an der Ostfront nach dem Einschlag einer Panzerfaust, wo er bei Besedino auch gebraben ist. Aus Prachatitz und Christianberg (Křišťanov), wohin sie in der Kindheit in den Ferien fuhren, nahm der Zeitzeuge einige Erinnerungen mit. Er erinnert sich an die Bombardierung von einer Gruppe Flüchtlinge durch amerikanische Flugzeuge in Prachatitz und an die Existenz eines jüdischen Lagers und gefangene, ausgehungerte Leute auf dem Gelände einer Sporthalle unweit des Prachatitzer Bahnhofs. Er erlebte die Besetzung von Prachatitz durch amerikanische Soldaten, die Dosen mit Nahrungsmitteln und Schokolade ausgaben. Im Mai 1945 war er zur Erstkommunion in der Prachatitzer Kirche Sankt Jakobus, die vom deutschen Pfarrer im Geheimen durchgeführt wurde. Am 6. März 1946 wurde der zehnjährige Johann mit seiner Mutter und Schwester nach Deutschland vertrieben. Der Transport der „Viehwagons“ über Prag nach Furth im Wald spielte sich über nach Nacht ab, während des Tages stand der Zug. Er erinnert sich, dass einige ältere Leute während des Transports starben. In der Halle des Sammellagers Furth im Wald wurden alle desinfiziert und zu Gelegenheitsarbeiten umverteilt, mehrheitlich bei Bauern. Die Integration war nicht einfach, der Status eines Flüchtlings war weder in der Schule noch bei der Partnersuche von Vorteil. Johann ließ sich zum Tischler ausbilden und suchte aktiv Anschluss im gesellschaftlichen und öffentlichen Leben der Gemeinde Frauenstetten, wo er mit der Mutter lebte. Seit 1972 war er Mitglied des Gemeinderates von Frauenstetten, zudem gehörte er dem Kreistag von Dillingen für die CSU an. Die Tschechoslowakei besuchte er in den 80er Jahren das erste Mal und initiierte später eine Sammlung für den Wiederaufbau des Stift Tepl.