Erwin Rupprecht

* 1934

  • "In der Zeit waren auf der Gemeinde zwei Kommissare, Bürgermeister, das hat so geheißen. Ich kannte damals schon eigentlich ziemlich viel Tschechisch. Da war nämlich die Tochter von dem, die hat immer gesagt, Du lernen Tschechisch und ich Deutsch. Und die hat mich gelehrt. Dann habe ich gehört, wie der Tscheche gesagt hat, wir kommen nach Tabor, wo seine Frau her ist, und seine Frau kommt raus. Und wie mein Vater von Limestein zurückgekehrt ist, haben wir uns gesagt, er hatte blöderweise das Pferd in Stahl und wir sind fort mit der leeren Tasche. Der Vater hatte den Rucksack gehabt, da war vielleicht etwas Zucker drin. Ich bin zurückgelaufen und habe die Tasche genommen, die war ganz leer. Meine Mutter hat gesagt, dann müssen wir schauen. Und dann hat man gesagt, wir hauen ab. Und da war die Eger zugefroren, da war vielleicht 10 Zentimeter Wasser drüben, es hat getaut, da bin ich drüben. Da waren wir in Wald gesessen, bis es richtig finster war. Da haben nachmittags die Amis geschossen. Dann sind wir auf die Hammermühle und meine Mutter hat zu dem, der die Zigaretten geschaffen hat, gesagt, dass wir in der Scheune eine Nähmaschine und ein Teppich haben, ob er es nicht holt. Dann ist er nachts rüber, hat es geholt. Mein Großvater musste für den Teppich und die Nähmaschine zwei Tausend Kronen bezahlen, weil es die Tochter von dem Tschechen beobachtet hat. Die Nähmaschine haben wir noch und die werden wir haben, solange ich lebe."

  • "Im Herbst 1945 haben wir gedroschen, das Getreide auf dem Feld, dann sind sie gekommen, die tschechische Polizei, haben mein Vater verhaftet, mitgenommen, zu Hause haben sie ein großes Plakat draufgemacht, Narodni spravce. Dann durften wir nicht mehr in die Mühle. Mein Vater war weg, den haben sie eingesperrt, die Gendarme haben meiner Mutter gesagt, wenn sie Ami Zigaretten bringt, dann wird er wieder entlassen. Das war nicht so leicht. Was die Frauen damals leisten mussten, das war unwahrscheinlich. Sie ist dann nachts in die Hammermühle gegangen, sie hatte dost einen Bekannten, er hatte Amizigaretten. Mit Mehl ist damals alles getauscht worden. … ist jemand gegangen, er hat jemanden gekannt, mit Mehl ist getauscht worden, er hatte Amizigaretten. Dann hatten wir drei oder vier Stangen, die hat dann die Polizei abgeholt. Dann wussten wir aber nicht, ob der Vater frei wird oder nicht. Wir als Kinder haben viel Angst gehabt, viele Ängste müssten wir durchstehen."

  • "Das Leben auf der Mühle war interessant. Viele Leute sind gekommen, da habe ich schon als Bube guten Kontakt. Zu damaliger Zeit war es praktisch ein zweites Wirtshaus. Ich weiß noch, wir haben über den Schweizer Sender Beromünster gehört, ich musste Posten stehen, es war ja verboten, während sie drinnen gehört haben. Über den Sender Beromünster waren wir über das Neueste informiert. Dann sind alle gekommen und haben gehört. Aber ich musste Schmiere stehen, wenn jemand gekommen ist. Dann habe ich es erlaubt und sie haben den Sender aufgedreht."

  • "Das Treffen von der HJ war jede Woche, Samstag oder Sonntag, oder Feiertag. Zum Beispiel zum Muttertag, da musste ich von Fischern nach Mühlbach, 6 Kilometer, dann sind wir gesammelt worden, sind nach Eger marschiert, wieder 6 Kilometer. In Eger haben sie uns aufgestellt, auf dem Marktplatz, mussten durch die Straßen marschieren, da waren mehrere, aus dem ganzen Kreis, und wo ein Kind geboren war, das haben die Mädchen gemacht, sie haben einen Kranz vor dem Fenster ausgehängt. Dort, wo ein Kranz war, mussten wir halten und ein Lied singen. Dann musste ich zu Fuß wieder nach Mühlbach, und von dort, es war schon finstern, nach Fischern wieder die 6 Kilometer alleine laufen. Dann wollte mich mein Vater nicht mehr gehen lassen. Das durften wir nicht sagen, sonst wären wir unter Verdacht. Ich musste sagen, ich war fürchtig, dann bin ich nicht mehr gegangen. Dann haben sie mir abgenommen einen HJ Pass, und Lebensmittelkarten. Die waren nicht so wichtig, weil wir ja eine Mühle gehabt hatten, aber der Zucker. Zucker war ja für die ganze Familie."

  • Full recordings
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    Rehau, 14.09.2019

    (audio)
    duration: 01:48:14
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Am meisten schmerzt mich, dass der Ort Fischern auf der Karte nur noch als Ödland steht

Erwin Rupprecht
Erwin Rupprecht
photo: Post Bellum

Herr Erwin Rupprecht wurde 1934 in der Siedlung Fischern, Landkreis Eger geboren. Sein Vater betrieb am Ufer der Eger eine Mühle, die während des Krieges die Erlaubnis zum Betrieb hatte. Der kleine Erwin hat sich liebevoll in alles eingebunden, was rund um die Mühle passierte. Im Herbst 1945 wurde der Besitz beschlagnahmt, im Januar 1946 floh die Familie nach Bayern. Der Anstoß zu einer schnellen Flucht war die Nachricht, dass sie zur Arbeit ins Landesinnere geschickt werden sollten. Das benachbarte Bayerisch Fischern sollte eine neue Heimat werden. Herr Erwin hat in Hohenberg die Schule besucht, in einer Weberei gelernt und dort auch 23 Jahre gearbeitet. Anschließend arbeitete er bei der Bahn in Schirnding. Da auf der anderen Flussseite das ehemalige Wohnhaus der Rupprechts in Sicht war, erlebten sie Anfang der 1950er Jahre, wie ihr Haus, ihre Mühle und ihre Siedlung nach und nach gesprengt wurden. Herr Erwin heiratete, er hat mit seiner Frau eine Tochter und einen Sohn. Er war an der Gestaltung der Egerer Birnsunnta-Feste in Schirnding beteiligt und organisierte diese auch über viele Jahre.