Werner Zimmermann

* 1935

  • „Der ist erst noch in eine Scheune rein. Da sind wieder Russen reinkommen, die haben dann was gesucht. Der hat gemeint sie suchen ihn. Aber das kenn ich nur von denen, die das mit angeschaut haben. Wir waren dann irgendwo im Haus. Ich war ja erst elf Jahre, noch nicht elf. Auf alle Fälle ist da mein Vater. Nicht lang rum, und. Danach ist nicht getan, sondern die haben gesagt, den Mann hätten wir nichts getan. Die haben gesehen – der war nicht bei der Wehrmacht, weder sonst noch ein Funktionär, war bei der tschechischen Arme, also als Junge, hatte er einen Wehrpass drin gehabt. Wir haben keine Repressalien mehr gehabt. Ja, da ist meine Mutter mit vier Kinder dagestanden. Und dann ist halt die tschechischen Kommissare gekommen, Bürgermeister wie man gesagt hat. Und die Miliz vor allem, die war ein bisschen hart oft. Hat man alles abliefern müssen: Radios, was halt so, Schmuck. Das hat man alles abliefern müssen. Die Miliz ist immer von Freudenthal gekommen. Da war ein Lager drin. Da sind dann welche die mit der Partei was zu tun gehabt haben, die sind dann reinkommen dort. Dort weiß ich natürlich nicht was dort so gelaufen ist. Von hören und sagen. Selber erlebt hab ich ja das nicht.“

  • „Die hat jetzt nicht gewusst - mach jemand was? Bis sich da tatsächlich jemand bereit erklärt hat als Totengräber zu arbeiten. Grab auf. Haben wir ihn mit dem Leiterwagen auf den Friedhof gefahren. Ist dann in einen Teppich oder was eingerollt worden. Da waren noch drei, zwei, die von den Russen beim Einmarsch umkommen sind. Die sind dann mit beerdigt worden. Ganz einfach – rein geschmissen, zugeschüttet.“ „Alle zusammen in einem Grab?“ „Ja, ja. So nebeneinander, ne. Das sind halt diese Erlebnisse, die wenn man älter wird, so richtig eingeprägt. Kommen wieder. Das ist schon für meine Mutter nicht so einfach gewesen. Na ja, das sind halt diese Sachen. Ich war zwar jetzt da oben auf dem Friedhof, aber da kann man nimmer feststellen wo das jetzt genau ist, weil das jetzt alles Grass ist.“

  • „Wir Kinder waren oben, auf den Sachen gelegen, die da eingeschichtet worden. Das waren 40 Leute, das ist ja ein Haufen zusammen kommen. Ja und bis da über. Ich weiß gar nicht wo wir gefahren sind. Über Prag...und dann, wie es dann. Kurz vor der Grenze haben sie dann die weißen N aus dem Zug geschmissen.“ „Ja?“ „Das haben sie alle gemacht. Und kamen dann, das haben alles die Amerikaner organisierst praktisch, in Bayern war ja amerikanische Zone. Da bist du erst einmal entlaust worden. Das war das erste der Amerikaner - bis mit einem Pulver überall eingeblassen worden. Die haben gedacht, da kommen laute verlauste Leute oder was. Ja, die Amerikaner haben auch keine große Ahnung gehabt, das da an Leuten rüberkommt. So was ich jetzt oft lies: Die Tschechen, diese Führung – wenn ich die Tschechen sage, dann möchte ich nicht alle sagen – sondern die Führung, die hat natürlich gesagt, wie viele es sein bloß, die haben natürlich alles ein bisschen verniedlicht.“

  • „Aber es war schon nicht schön. Im Nachhinein, wenn ich zurück denk. Für meine Mutter vor allem, als Kind oder als Junge haben wir eigentlich nicht so, das so intensiv mitgekriegt. Diese Zeit war schon. Und denn man das so sieht gibt es heute auch solche Sachen, mehr oder weniger.“ „Weil die Menschen auch manchmal gar nicht wissen was früher war und jetzt.“ „Ja, und vor allem diese nationalen Schürer, die da Hass schüren, das sollt nicht sein, das brauchen wir nimmer. “

  • Full recordings
  • 1

    Neumarkt in der Oberpfalz, 16.03.2017

    (audio)
    duration: 01:18:34
    media recorded in project Memories for the Future
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Krieg ist immer schlecht, beiden zeitig.

Werner Zimmermann
Werner Zimmermann
photo: Dominik Michálek, 2017

Werner wurde am 27. September 1935 im Krankenhaus in Troppau (Opava) geboren. Sein Vater war Lehrer, darum ist die Familie oft umgezogen. Am Ende des Krieges lebte die Familie in Wildgrub (Václavov u Bruntálu) in der Schule. Er hatte drei jüngere Brüder. Im Winter 1944 erlebte er das Verstecken der elend ausschauenden russischen Gefangenen, die durch den Ort zogen. Sein Leben hat am meisten der 5. Mai 1945 geändert, weil seinen Vater die durchziehenden russischen Soldaten erschossen haben. Der Vater wollte nicht in den Volksturm - eine Pistole haben und auf Menschen schießen. „Das mach ich nicht.” Sollte er gesagt haben. Und an diesem Tag ist er ohne Grund vor den Soldaten weggelaufen. Seine Mutter mit den Kindern und dem Pflichtjahr-Mädchen haben sich um die Beerdigung alleine gekümmert. Er wurde noch mit zwei oder drei anderen Männern, die auch bei dem Durchmarsch der Russen umgekommen sind, in einem gemeinsamen Grab begraben. Werner erlebte auch das Toben der Russen, die im Dorf immer Mädchen und Frauen erwischen wollten und sie vergewaltigten. Im September 1946 wurde die Familie auf den Bahnhof in Freudenthal (Bruntál) gebracht und sie sind mit einem Transport nach Neumarkt in der Oberpfalz gefahren. „Kurz vor der Grenze da haben sie die weißen N aus dem Zug geschmissen... das haben sie alle gemacht.” Mit dem Studium war es in Deutschland nicht so leicht. Zuhause hatte er schon seinen Platz auf dem Gymnasium vorbereitet. In der neuen Heimat hat er zuerst Maschinenbauer gelernt. Später im Jahr 1968 wegen Gesundheitsproblemen ist Werner Bankkaufmann geworden. Im Jahre 1959 heiratete er Theresia. Ein Jahr später kam ihr Sohn zur Welt. Auch wenn in der Familie nicht viel über diese Zeit gesprochen wurde, sagt Werner: „Diese Erlebnisse sind richtig eingeprägt und wenn man älter wird, dann kommen sie wieder.”